„Erste Hilfe zur Selbsthilfe für Eltern von Nachwuchsfußballern.“ So habe ich dieses Buch bei meiner Vorstellung an meinem neuen Arbeitsplatz betitelt. Hier nun das Vorwort, um auf den Geschmack zu kommen. Viel Spaß beim Eintauchen in die Welt des Nachwuchsfußballs aus Sicht einer im Fußball-angestellten-Profi-Mutter.
Vorwort
Was mich bewegt
Vor 35 Jahren bestand mein Fußballverständnis aus Wissen über halbzeitige Seitenwechsel und 22 Spieler auf dem Platz. Alles, was mich damals an dieser Sportart interessierte, war das Gemeinschaftserlebnis, im Kreis der Familie die EM- und WM-Spiele der deutschen Nationalmannschaft anzuschauen.
Niemals wollte ich ein im norddeutschen Wind und Regen ausharrendes Elternteil am Spielfeldrand werden- ein Albtraum! Mit den eigenen Kindern, deren engsten Freunden und der Begleitung ihrer Lebensträume wächst man jedoch in Bereiche hinein, die vorher undenkbar schienen- so erging es auch mir als Mutter von 4 Kindern (heute bereits im Alter von 20-25 Jahren), 2 Jungs und 2 Mädchen.
Seit nunmehr 16 Jahren begleite ich junge Fußballtalente auf ihrem Lebensweg. Angefangen mit dem Eigengewächs innerhalb der Familie (einem meiner 2 Söhne) und seinen Freunden bis hin zu vielversprechenden Talenten bei Bundesligavereinen. Mir sind die elterlichen Sorgen bekannt, ich habe sie selbst durchlebt und Viele begleitet in den Fragen und Entscheidungen in Bezug auf Fußball, wie z. B. den Umgang mit Druck und Trainerentscheidungen, Vereinswechsel, DFB-Abstellungen und Beraterfragen. Ebenso ging es um die Schule in vielen Facetten. Die Herausforderungen, als Familie den Spagat zwischen ihr, und den Anforderungen der Nachwuchsleistungszentren zu meistern, versteht nur, wer „in den Schuhen der Eltern“ laufen musste. Wie ich, einen damals 14-jährigen ziehen- und loszulassen zu müssen, kann schwerwiegende Folgen für das Kind, die Eltern und Familie bedeuten – denn auch die Geschwisterkinder sind in den Prozess indirekt oder direkt involviert. Verantwortung abzugeben ist nicht so einfach wie häufig von Vereinsseite gefordert, Vertrauensvorschüsse zu geben noch erheblich schwerer- wenn bereits schlechte Erfahrungen gesammelt wurden- nahezu unmöglich.
Zeit, Zuwendung, Finanzen, Kraft und Emotionen werden von den Eltern investiert.
Der gesamte Aufwand, den der Leistungssport einfordert, will wohl durchdacht werden, abgewogen und gut beraten sein- und selbst dann heißt es noch lange nicht, dass aus einem Talent auch ein Fußballprofi wird. Wie in einer Uhr müssen viele Rädchen ineinandergreifen, damit am Ende des Weges tatsächlich ein Profivertrag unterschrieben und so der Anpfiff in die professionelle Laufbahn gegeben wird. Jener Startschuss wiederum ist der Beginn eines weiteren, harten und unbestimmten Weges- nicht das Ende. Es geht lediglich unter erhöhtem Einblick und Druck der Öffentlichkeit weiter.
Dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und standzuhalten will bereits in frühen Jahren gelernt sein. Wer ohne Vorbereitung und intensive Reflexion ins Haifischbecken Fußball eintaucht, wird heutzutage sehr schnell untergehen oder gefressen. Zu verstehen, wie wichtig die Persönlichkeitsentwicklung junger Sportler ist, wie unabdingbar guter Support und Abgrenzung („Nein“-sagen) ist, ermöglicht die Chance, auch wirklich oben anzukommen oder sein Kind dahingehend zu unterstützen und auf gute, zielorientierte Art zu begleiten.
Vor meiner Weiterbildung zur Business-Trainerin/Moderatorin und Prozessbegleiterin widmete ich mich schließlich auch beruflich der Persönlichkeitsentwicklung junger Fußballtalente im Internat des Hamburger Sportvereins (HSV). Für mich die Möglichkeit, „hinter die Kulissen zu schauen“. Gehörte ich doch Jahre zuvor zu den abgebenden Eltern, die ihr Pubertier voll Vertrauen in die Obhut genau jenes Internats gegeben hatten. Nach seinem Auszug folgte ich für 1 ½ Jahre. Eine spannende Aufgabe, die mich sehr nah die dort wohnenden Jugendlichen erleben ließ. Was in den Köpfen und Herzen der jungen Menschen vorgeht, wie sie mit den an sie und auch ihre Herkunftsfamilie gestellten Anforderungen umgehen, ist ein weiterer Blickwinkel. Sehr vieles gibt es zu bedenken, abzuwägen und zu entscheiden.
Hinzu kommen noch die verschiedenen Beweggründe der handelnden Personen, die ihre eigene Geschichte und Erfahrungen mit hineinbringen. Erlebnisse und Handlungen, die ihr derzeitiges Agieren und ihre Ansichten geprägt haben. Sie alle sind ein Teil des Uhrwerks, das mit den anderen passgenau zusammenarbeiten muss, um die Entwicklung eines erfolgreichen Spielers nicht nur zu fördern, sondern sie vor allem nicht zu behindern.
Es handelt sich um Teenager, junge Menschen, die von allen Seiten gelenkt, geführt, beobachtet und durchleuchtet werden. Jeder (von den Eltern bis hin zu den „Fans“ in den sozialen Medien) hat seine Meinung und Kommentar zu der Leistung und dem Leben jener Heranwachsenden. Der Druck, allen gefallen zu wollen ist immens und manch einer zerbricht daran.
Dass es erst gar nicht dazu kommt ist mein Anliegen; meine Erfahrungen zu teilen und hoffentlich für den Einen oder Anderen ein Augen- und Ohrenöffner sein, um die kleinen „Rauchzeichen“ und Hinweise zu verstehen, die die Jugendlichen aussenden. Gute Kommunikation zwischen dem Kind, den Eltern, Trainern, Beratern, Lehrern und Vereinsmitarbeitern ist nötig, damit ein Spieler seine Potenziale voll ausschöpfen kann, um eine erfolgreiche Karriere einzuschlagen.
Vielschichtig ist der Weg zum Gipfel. Viele Komponenten müssen zusammenpassen und auch hart erarbeitet werden und schlussendlich braucht es ebenso eine große Prise Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Die von mir beschriebenen Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten, zum Schutz der handelnden Personen wurden sie jedoch abgewandelt oder in einen anderen Kontext versetzt.
Denn auch dies ist ein Teil des „Haifischbecken Fußball“: Schwäche zu zeigen oder Fehler zuzugeben ist fast unmöglich: ständig lauert die Gefahr, persönliche Nachteile davon zu tragen.
Einen der besten Freunde meiner Söhne, Markus, begleite ich seit fast zwei Jahrzehnten. Von seinen ersten Ballberührungen als Krabbelkind, wodurch wir uns kennenlernten, über das erste Training der F- Jugend im gemeinsamen Dorfverein, Fußball-Feriencamps und DFB-Stützpunkte, Jugendnationalmannschaften und alle Jugend-Leistungsmannschaften eines angesehenen Bundesligisten. Die enge Freundschaft von ihm zu meinem Sohn, und seiner Mutter Alexandra zu mir, sowie die über Jahre nachbarschaftliche Wohnsituation machte dies möglich.
Im Laufe der Zeit bin ich vielen Themen im Vereins- und Leistungsfußball begegnet, die mich faszinierten und häufig abstießen- manchmal mit fragendem Schweigen, in Alexandras oder meiner Küche sitzend, hinterließen. Ich erinnere mich an emotionale, scheinbar endlose Diskussionen, wenn wir uns über brandheiße Themen rund um den Nachwuchsfußball im Garten ihres Hauses bis tief in die Nacht austauschten- viel gibt es zu bedenken, viele schwerwiegende Entscheidungen sind zu treffen, wenn man sich im Umfeld der Leistungszentren bewegt.
Dennoch- alles hat sein Gutes und so durften sie und ich wahre Begleiter fürs Leben werden und am Spielfeldrand, in der Trainer- und Elternschaft gemeinsam neue Freunde gewinnen.
Als meine HSV-Internat-Zeit begann, ergab sich für mich die Chance, mein Wissen und Erfahrungen im Nachwuchsleistungszentrum weiterzugeben und zu vertiefen. Die Sicht der „anderen Seite“, der Vereinsseite, auf die Spieler und ihre Fußballer-Karriere tat sich für mich auf. Fragen, von deren Existenz ich mir als Mutter vorher überhaupt nicht bewusst gewesen war.
Zum Beispiel: „Wie bauen wir eine langfristige Bindung vom Spieler zum Verein auf?“ Oder: „Wie überzeuge ich ein Talent, bei uns einen Vertrag zu unterschreiben?“ Oder: „Wie halte ich diesen jungen Menschen in meinem Verein und beschütze ihn vor Abwerbungsversuchen der Mitbewerber?“ gehören zur Tagesordnung. Meine Zeit dort war sehr aufschlussreich und faszinierend.
Ich kenne sie- die Höhen und Tiefen des Fußballgeschäftes aus Sicht der Eltern und Familie und die Sicht aus dem Blickwinkel des Vereins und Fußballgeschäftes. Die Vorstellungen, Hoffnungen, Bemühungen und Ambitionen der Eltern und den Druck auf die Kinder, Trainer und Vereinsmitarbeiter. Alexandra und ich durften von der F-Jugend an alles gemeinsam erleben, mussten jedoch selbst Erfahrungen und Informationen sammeln. Niemand war da, der uns vorher Einsichten in den Fußballrummel gegeben hätte. Einblicke in jene folgende, aufreibende Zeit – die Momente der Tor- und Siegesjubel, der Schrecksekunden, Krankenhausaufenthalte und Reha-Monate, der Comebacks, der Berater-Anwärter-Anrufe und häufigen Entscheidungsprozesse.
Die Fragen: “Was muten wir uns als Eltern und unseren Kindern sowie Familien zu, wenn wir ins Haifischbecken Fußball eintauchen?”, sowie „Sind sich Eltern tatsächlich bewusst, worauf sie sich einlassen?“ beschäftigen mich seit Langem.
Ein bisschen Wehmut bricht sich beim Schreiben dieser Zeilen gerade Bahn- die unbeschwerten Glücksmomente liegen bereits Jahre zurück und wir durchleben inzwischen gemeinsame Momente der Erinnerungen. Scheinbar haben sich die Zeiten verändert.
Als ich das erste Mal an der Rasenkante stand, gab es weder „Facebookposts“ noch „Instagramstories“ von Spielern und deren stolzen Eltern. Keine Kommentare in Echtzeit zum Spielgeschehen mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ (wo kommt das her?). Keine kleinen Herzchen oder orange-rote Gesichter mit winziger Rauchfahne. Es gab einen Spielberichtsbogen, den die Trainer direkt nach Abpfiff ausfüllen mussten, um ihn per Fax an den Fußballkreis zu versenden. War dieser Bogen fehlerhaft, kostete es 15€ Strafe. Fertig. Im Anschluss ans Spiel machten wir uns gemeinsam häufig auf zum Co-Trainer, der ein griechisches Restaurant in Vereinsnähe betrieb. Oder man plünderte die Gefrier- und Kühlschränke für die spontan einberufene Grillparty im Garten des Coaches. Lange, gemütliche Abende- im norddeutschen Klima, Brüder und Schwestern gehörten ebenso dazu wie die Mannschaftskameraden. Von diesen Zeiten sprechen selbst die Geschwister immer wieder gern! Es gab weder einen Liveticker mit direktem Einfluss auf Wettbüros über den ganzen Globus verteilt noch einen Livetracker am Körper der Spieler, der Analysten, Scouts und Trainer zeitgleich zum Spiel beschäftigte, Auswechselungen und Halbzeitansprachen auslöste. Dazu später mehr…
Das ursprüngliche Spiel ist dasselbe wie vor 35 Jahren. Es stehen noch immer 22 Spieler in bunten Trikots, Hosen, Stutzen und Fußballschuhen auf dem meist glatten grünen Platz mit 2 Toren, weißen Linien und mittigem Anstoßpunkt. Alles andere hat sich verändert- und doch geht es, wie damals, um Menschen.
Das Zusammenleben mit mehreren dieser kleinen Erdenbewohner im familiären und freundschaftlichen Kontext, das Erleben der wachsenden An- und Herausforderungen an die Kinder und Familien, ebenso wie mein späteres berufliches Umfeld haben mich zum Schreiben angeregt. Fußballkarrieren „meiner Internats-Jungs“ enden zu sehen, bevor sie richtig begonnen haben, machen mir täglich deutlich, wie dankbar man sein kann, wenn es tatsächlich einer schafft. Ihnen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen, spornt mich an. Dabei liegt mir eine optimale Verknüpfung und Zusammenspiel der Menschen, die auf das Leben eines Athleten Einfluss nehmen, besonders am Herzen. Je besser diese einzelnen Rädchen reibungslos zusammenarbeiten, umso einfacher ist es für den Sportler, erfolgreich zu sein und zu bleiben. Alles, was gegeneinander arbeitet, blockiert den jungen Fußballer und lässt den Erfolg auf wackeligen Füßen stehen- wenn er denn eintrifft. Ein immens wichtiger Punkt meiner Arbeit ist, für das Verständnis und den Nutzen einer guten Zusammenarbeit zwischen dem Elternhaus und den Vereinen zu sorgen. Auch das Geschehen am Spielfeldrand, die Eltern und ihr Verhalten, haben sich stark verändert.
Die drei Parteien – Spieler, Trainer/Betreuer, Eltern- alle üben einen direkten Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg einer Fußballerkarriere aus. Die Gefahren und Chancen sowie das Quäntchen Glück, das nötig ist, um „oben anzukommen“- ich gehe auf all die notwendigen Aspekte ein.
„Meine Jungs“ (so haben sie sich übrigens selbst bezeichnet) wuchsen mir schnell ans Herz. Ich nehme täglich Anteil an ihrem Leben. Im Miteinander werden die Zusammenhänge einer starken Persönlichkeit mit dem späteren Erfolg auf dem Fußballplatz klar und deutlich.
Durch die Nähe zu ihnen und das Erleben ihres Alltags, kristallisierte sich ein weiterer Aspekt für mich heraus, der in den Bemühungen und vielen Ansätzen der verschiedenen Institutionen bisher leider nicht im Fokus ist: die Förderung der Selbstständigkeit. Ganz gleich, ob aus dem Talent ein Fußballprofi erwächst oder ob das Ballspiel auf Hobbyniveau ausgeübt wird- die Entwicklung einer selbstständigen Persönlichkeit muss im Vordergrund der Elternschaft und der ausbildenden Vereine stehen. Eine realistische Einschätzung für das eigene Kind zu bekommen und sich diese zu bewahren, ist mein Anliegen. Sie stellt die Basis für die tatsächliche Zielerreichung dar- egal ob das Ziel Fußballprofi, Krankenpfleger oder IT-Spezialist heißt. Mein Wissen und eigenes Erleben um „verschleuderte Energie im falschen Umfeld“, und deren folgenschwere Auswirkungen auf die Familienstruktur und Persönlichkeit des Jugendlichen, kommt hinzu. Hierzu äußere ich mich immer mal wieder zwischendurch, wenn ich den „Heiligen Rasen“ verlasse, um mich zur Veranschaulichung in den Konzertsaal oder über die Wolken zu begeben.
Es geht also nicht nur um Fußball- zum Glück!
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